Wenn du schon Berufserfahrung hast, dann kannst du sicher die folgenden Fragen beantworten: Was hat dich bei deinen bisherigen Jobs genervt, was willst du auf keinen Fall wieder so erleben? Ich bin mir sicher, dass dir dazu einige Punkte eingefallen sind. Und jetzt drehen wir die Liste um: Finde für jeden Punkt, den du nicht gemocht hast, jene Bedingung, die dir gefallen hätte oder die du dir gewünscht hättest. Damit hast du schon ein wesentliches Gerüst dafür, welchen Kontext und welche Rahmenbedingungen dir in beruflicher Hinsicht wichtig sind, unabhängig davon, welchen Beruf du ausübst.
Kontext und Rahmenbedingungen: immer schön flexibel bleiben
Kontext und Rahmenbedingungen sind jedoch keine Konstanten im Berufsleben. Sie ändern sich in jenem Maße, wie sich unsere Lebensumstände und persönliche und familiäre Situation ändert. Wenn du deine Berufsgeschichte durchgehst, hast du bestimmt zur Jugend- oder Studienzeit andere Jobs und Lebensumstände gehabt als das jetzt der Fall ist. Für dich heißt das, dass du etwas Flexibilität benötigst, um dein berufliches und privates Leben unter einen Hut zu bringen und gefordert bist, die Umstände deinem Leben anzupassen.
Was ist der Kontext, den du dir wünscht?
Meistens wird bei beruflichen Veränderungswünschen zuerst davon ausgegangen, was du machen möchtest. Aber da sollte eben erst die zweite Frage sein. Es kommt eigentlich immer darauf an, unter welchen Rahmenbedingungen willst du arbeiten und in welchem Kontext. Und eine Tätigkeit, die dir im Prinzip Spaß macht, kann unter bestimmten Rahmenbedingungen überhaupt nicht passen. Das wirkt sich also essenziell auf diese Frage aus, welche Bedürfnisse hinter einer Aufgabe stehen.
Kontext und Rahmenbedingungen: nähen ist nicht gleich nähen
Als Beispiel möchte ich mein Hobby Nähen heranziehen. Wenn ich Nähen als Beruf ausüben wollte, sollte ich mir das Bedürfnis hinter der Tätigkeit bewusst machen. Das könnte z. B. der Wunsch nach Design sein (welche Formen werden verwendet, welche Stoffe, welche Accessoires?). Wenn mein Interesse in der kreativen Umsetzung und im handwerklichen Prozess liegt, dann interessiert mich der Aufbau, das Spiel mit den Materialien, die Möglichkeit alten Dingen ein neues Leben einzuhauchen oder für mich persönlich die Funktionalität von Werkstücken. Es könnte jedoch auch sein, dass ich an Menschen interessiert bin und die Herausforderung darin sehe, ein individuell passendes Kleidungsstück herzustellen, dass die Person in den Vordergrund hebt. Du siehst also, bei der gleichen Tätigkeit können ganz unterschiedliche Bedürfnisse dahinterstehen, die deiner Arbeit Sinn und Erfüllung geben. Dementsprechend wären dann auch andere Berufe zu wählen.
Entscheidungen dürfen sich anderen Kontext und Rahmenbedingungen suchen
Ich habe im Laufe meiner beruflichen Erfahrung immer wieder Köche gehabt, die diesen Beruf nicht mehr ausüben wollten. Und das war in den meisten Fällen nachvollziehbar. Viele von ihnen sind als Jugendliche mit einer Lehre eingestiegen oder haben als Quereinsteiger begonnen. Da war es angenehm am Abend oder am Wochenende zu arbeiten und immer dort zu sein, wo Party und Menschen waren. Doch mit der Zeit haben sich die Lebensverhältnisse geändert und diese Arbeitszeiten konnten nicht mehr gut mit dem familiären Alltag in Einklang gebracht werden. Zusätzlich kamen auch noch Berufskrankheiten dazu, die mit den physischen Beanspruchungen des Berufs entstanden (langes Stehen, Hitze, Kälte). Ebenfalls nicht zu unterschätzen waren die psychischen Herausforderungen. In vielen Küchen herrscht ein rauer Umgangston und viel Stress. Je gefestigter die Persönlichkeit ist, umso schwerer lassen sich solche Arbeitsbedingungen psychisch verkraften. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, wie sich die Bedürfnisse im Laufe des Lebens ändern können. Die Kunst besteht also darin auch selbst zu hinterfragen, ob die Rahmenbedingungen noch passend sind und was als Gegenstrategie möglich wäre. Häufig kann durch berufsbegleitende Ausbildungen eine Veränderung innerhalb des Unternehmens oder in andere Branche gelingen.
Elternrolle – ein völlig neuer Kontext und spezielle Rahmenbedingungen
Die Bedürfnisse ändern sich auch deutlich, wenn du ein Elternteil wirst. Abgesehen von der Pause, die sich durch Karenzzeiten ergibt, steht auch das Thema Kinderbetreuung im Fokus und auch Teilzeitarbeit ist eine häufige Folge davon. Ohnehin verschiebt sich das eigene Wertesystem mit einem Kind noch einmal – und so kann es sein, und das passiert auch häufig, dass unter diesem Aspekt eine komplette berufliche Neuorientierung angestrebt wird, die eine Anpassung an die geänderten Lebensbedürfnisse berücksichtigt.
Junge Eltern werden anfangs mit Elternteilzeit unterstützt, die nur im begrenzten Zeitraum verfügbar ist. Und was ist dann? Willst du dann weiterhin in Teilzeit bleiben? Ist das überhaupt möglich? Musst du wieder eine Vollzeitstelle annehmen? Häufig wird schon im Vorfeld vom Unternehmen kommuniziert, dass nach der Elternteilzeit wieder Vollzeit erwartet wird. Das bedeutet für dich, dass du dir darüber klar sein solltest, wie du mit dieser Option umgehen möchtest. Bietet sich eine Weiterbildung an, die dir den Umstieg in ein anderes Unternehmen oder eine andere Branche erlaubt? Ist Selbstständigkeit für dich eine Option?
Generell ist das Thema Arbeitszeit bzw. Arbeitszeitmodell wichtig beleuchtet zu werden. Als Vollzeit gilt alles zwischen 32 und 40 Stunden, aber wie sollen diese verteilt sein? 3- oder 4-Tageswoche sind neue beliebte Modelle, ebenso wie Kombinationen mit Homeoffice. Soll es ein fixes Arbeitsmodell sein, oder akzeptierst du auch flexible Dienstpläne, geteilte Dienste (ein Teil am Vormittag, mehrere Stunden Pause, ein Teil am Nachmittag oder Abend) oder Schichtdienst? Wie stehst du zu Wochenenddiensten?
Nicht zu unterschätzen ist die Frage der Arbeitszeit auch in Bezug auf dein soziales Leben und deine familiären Verpflichtungen. Es kann für dich und deine Familie sehr herausfordernd sein, wenn du aufgrund von Schichtdiensten tagsüber schlafen möchtest.
Der nächste Punkt, den ich auch ganz, essenziell finde und der auch immer wieder ein Thema ist, allerdings selten angesprochen wird, ist das Thema Anerkennung und Prestige. Du arbeitest nicht nur, weil du Geld verdienen willst, du suchst bestimmt nach Sinn und Erfüllung. Einen Teil dieses Sinns kann dir die Anerkennung geben oder das Prestige, das dieser Beruf hat, nämlich eben, dass er als besonders sinnvoll oder erfüllend gilt. Und egal welche Tätigkeit du machst, solltest du dir doch überlegen, welche Form der Anerkennung wünschst du dir von deinem Betrieb, aber auch von der Gesellschaft.
Also von deinem Betrieb wirst du in erster Linie Anerkennung in Form von Geld bekommen. Das heißt, du darfst dir schon überlegen, ob das deine Kosten deckt, und zwar ausreichend deckt. Wie viel musst du verdienen, dass du gut leben kannst, wie vielmusst du verdienen, dass du dich ausreichend wertgeschätzt fühlst. Gibt es etwa Prämienzahlungen für besondere Leistungen. Dann, welcher Kollektivvertrag kommt zur Anwendung und besteht eben die Möglichkeit zur Überzahlung. Ist das auch realistisch in dieser Branche? Und welche Gehaltsteile sind in dieser Branche üblich? Mitunter ist doch etwas kompliziert, so mit Fixum, Provisionen, Binärsprüngen, Zulagen und so weiter. Und das kann dann schon einen ordentlichen Einschnitt geben, wenn so etwas aufgrund der Arbeitsbedingungen wegfällt. Und dann nicht zuletzt, also welches Prestige hat dieser Beruf? Ist es dir wichtig, wie du in der Öffentlichkeit angesehen wirst?
Damit wären wir auch schon beim nächsten Aspekt, nämlich Sicherheit und Perspektiven. Also, wie sicher ist eigentlich ein Beruf? In der einen, also im Sinne von Sicherheit, wie mit Waffe bedroht werden, aber auch in Bezug auf Stabilität und Krisenfestigkeit. Und wie lange denkst du selbst in einem Unternehmer zu bleiben? Gehst du dort rein, mit der Einstellung, dort will ich in Pension gehen? Oder denkst du dir „okay, das ist jetzt eine Entwicklungsstufe, ich mache das jetzt mal so lange wie es mir taugt und dann schaue ich mich woanders um“. Möchtest du lieber in einem öffentlichen, staatlichen, kommunalen oder lieber in einem privaten Betrieb arbeiten? Auch das sind unterschiedliche Perspektiven damit verbunden.
Dann, wie sind die Entwicklungsperspektiven in einer Branche oder auch in einem Beruf? Gibt es Aufstiegs- und Karrierechancen? Möchtest du das überhaupt? Besteht die Möglichkeit von Weiterbildungen? Und wie sehen die konjunkturbedingten Chancen in der Branche aus? Also auch in Richtung Green Jobs und Digitalisierung.
Ebenfalls ein wichtiger Aspekt ist zum Beispiel, möchtest du lieber eine abwechslungsreiche Arbeit haben, die sich flexibel nach den Bedürfnissen der Aufträge richtet und eventuell auch mit einem Auslandsaufenthalt oder mit Reisetätigkeit verbunden sind? Oder ist es dir lieber, dass mehr oder weniger jeder Tag so im Großen und Ganzen gleich abläuft.
Schlussendlich ist dann noch den Punkt Arbeitssetting. Wo möchtest du überhaupt arbeiten? Bist du jemand, der sich in einem Büro wohlfühlt, in einer Werkstatt, im Freien, in einem Geschäft oder in einer fremden Wohnung? Das muss dir klar sein. Wie soll dein Arbeitsumfeld sein? Könntest du zum Beispiel mit einem Großraumbüro zurechtkommen? Oder bist du jemand, die, wenn sie arbeitet, Ruhe benötigt, damit sie sich konzentrieren kann? Möchtest du in einem Team arbeiten oder lieber allein? Oder bevorzugst du eine Mischform davon? Möchtest du mit Kunden Kontakt haben? Und wie viel möchtest du mit Kunden Kontakt haben? Oder möchtest du am liebsten ungestört und konzentriert an einer Aufgabe arbeiten?
Betriebsklima und -kultur als Kontext
Und dann einer der wichtigsten Gründe, warum insbesondere Betriebe gewechselt werden, wie wichtig ist dir das Betriebsklima? Kannst du dich dort mit Hierarchien zurechtfinden? Gibst du gern selbst den Ton an? Kannst du dich unterordnen? Dann, wie stark soll der Anteil an Routinearbeiten sein im Verhältnis zu abwechslungsreicher Tätigkeit, dass es dir nicht langweilig wird, und kannst du auch mit dem vorgegebenen Arbeitstempo umgehen. Also egal, ob das jetzt zügig oder sehr langsam ist, erfordert das eine gewisse Anpassungsleistung. Und wie gut funktionierst du unter Stress und Wettbewerb? Denn das kann auch ein großes betriebliches Kulturthema sein. Und handelst du lieber unter Anleitung oder möchtest du selbstständig handeln dürfen? Wie gut kannst du mit Kontrolle und Feedback umgehen oder wie wichtig wäre es dir, entscheidungsfreie Räume zu haben? Und schlussendlich, wie viel Verantwortung möchtest du übernehmen? Das wären so die großen Fragen, die du dir schon stellen solltest, bevor du dich für einen Beruf entscheidest.
Klarheit für Kontext und Rahmenbedingungen
Und ich verstehe, wenn man bei all diesen vielen Möglichkeiten, wie du arbeiten möchtest, dass man dann auch mal leicht überfordert ist. Und deshalb empfehle ich eine Einteilung in Hard- und Soft-Facts. Hard-Facts sind Bedingungen, die unbedingt für dich erfüllt sein müssen, wo es für dich keinen Verhandlungsspielraum gibt. Soft-Facts sind eben nice to have und verhandelbar, da kann man eventuell auch, das eine durch das andere wiedergutmachen. Momentan solltest du wirklich bedenken, dass wir es mit einem Arbeitnehmermarkt zu tun haben. Das heißt, im Gegensatz zu den Bedingungen vor ein paar Jahren, hast du die Möglichkeit viel mehr von deinen Vorstellungen einzubringen und erfüllt zu bekommen. Die Hard-Facts eines Unternehmens solltest du im Wesentlichen über die Homepage oder ähnliche Quellen herauslesen können, zumindest zwischen den Zeilen oder in Arbeitgeberbewertungen.
Falls du zu diesem Thema noch gerne etwas Input hättest, empfehle ich dir mein 0€-Tool gratis runterzuladen. Natürlich kannst du dich auch gerne melden, wenn jetzt noch mehr Chaos in deinem Kopf ist und du jemanden suchst, der wieder klare Strukturen reinbringt und dich bei der Suche nach Sinn und Erfüllung unterstützt.
Deine Claudia